Am 20. Januar tritt Trump das Amt als 47. Präsident der USA an. Wir wollen in unserer Analyse aufzeigen, wie Trumps Wahl mit der aktuellen Krisenperiode zusammenhängt und einen Ausblick darüber geben, was uns in den nächsten vier Jahren erwartet. Seit langem ist die USA das mächtigste Land der kapitalistischen Welt und Hegemon unter den imperialistischen Mächten, seine Entwicklung im Klassenkampf sollten wir dementsprechend auch in Europa oder in der Schweiz mit grösstem Interesse verfolgen. Dieser Beitrag bezieht sich primär auf die Verhältnisse innerhalb der USA, ein zweiter Teil wir die geopolitische Strategie des Lagers von Trump und seine Auswirkung auf der Weltebene genauer erläutern.
Wir stellen dazu 3 Thesen zu Trumps Wahl auf:
- Bourgeoisie ist in einer Sackgasse
- Polarisierung ist extremer geworden
- Die Arbeiter*innenklasse fängt an, zu erwachen und spürt ihre Macht immer mehr
DIE HERRSCHENDE KLASSE IST IN EINER SACKGASSE
Wir befinden uns in einer Epoche, wo die Profitraten extrem niedrig sind. Es ist für die herrschende Klasse, die Unternehmens- und Kapitalbesitzer*innen, sehr schwierig, ihre Milliarden zu vermehren. Das bedeutet, dass sie alles daran setzen, ihre Profitraten zu steigern. Friedliche Zeiten gibt es im Kapitalismus nur, wenn die Profitraten dermassen gross sind, dass die Konkurrenz zwischen den einzelnen Kapitalist*innen vorübergehend als beendet erscheint. Sogar Zugeständnisse an das Proletariat und eine Anhebung ihres Lebensstandards wurden möglich, natürlich immer auch in Begleitung von Klassenkämpfen und dem imperialistischen Werttransfers von der abhängigen, (halb-)kolonialen Welt in das imperialistische Zentrum. Eine solche Phase erlebte der Westen im Nachkriegsboom (ca. 1950 - 1970). Die massive Zerstörung von Produktivkräften und Kapital ermöglichte einen ,,Neustart’’ mit unglaublichen Profit- und Wachstumsraten. Entscheidend war dabei auch die Schwächung des imperialistischen Europas und damit die Überhand der USA, sowohl in Europa Kapital mit hohem Profit zu investieren und die Verwaltung der Ausbeutung des globalen Südens zunehmend von Europa zu übernehmen. Heute stehen wir an einem anderen Punkt. Das Ende des Nachkriegsbooms und die neoliberale Wende der 70/80er-Jahre, die besonders in den US und Grossbritannien mit Vehemenz durchgesetzt wurde (Thatcher und Reagan), haben gezeigt, dass der Frieden eben nur solange gilt, wie die Profitraten der Reichen stimmen. Ab 1970 wurden im Verteilungskampf zwischen Kapital und Arbeit kaum mehr Zugeständnisse erkämpft, die Privatisierung und Deregulierung der Wirtschaft im allgemeinen und insbesondere des Finanzsektors wurden stark gefördert und die Folgen sind bekannt: Anstieg der Ungleichheit, der Arbeitslosigkeit, Reallohnstagnation für eine absolute Mehrheit der US-Amerikaner*innen, während die Kapitalist*innen reicher und reicher geworden sind, ja die Superreichen sogar bisher unbekannte Vermögen angehäuft haben.
Wenn die Profitraten für die Kapitalist*innen zu klein sind, können sie diese nur durch eine erhöhte Ausbeutung der Arbeit und der Natur oder durch Sparprogramme des Staates steigern. Übersetzt heisst das: Wenn die reichsten der Gesellschaft nicht zufrieden sind damit, dass sich ihr Geld nach ihren Ansichten zu wenig vermehrt, dann müssen die Arbeiter*innen für denselben Lohn länger und/oder härter arbeiten. Für dieselbe Menge Lohn muss mehr Arbeit herausgepresst werden. Das zeigt sich konkret in Arbeitszeitverlängerungen, stagnierenden Mindestlöhnen, die vonseiten der Arbeit’’geber’’*innen nicht mehr akzeptiert werden oder in intensivierter Arbeit, also dass in derselben Zeit mehr Arbeit gemacht werden muss. Was das Leben von Millionen von Menschen verschlechtert, dient nur einem Zweck: Dass eine handvoll superreicher Menschen noch mehr Geld machen kann. Was sie sicherlich auch so geschafft hätten, aber sie müssen ja vor allem mehr Profit machen als die Konkurrenz. Der Kapitalismus ist also eigentlich eine Konkurrenz zwischen superreichen Menschen, die nur ,,aufsteigen’’ können, wenn sie besser ausbeuten als ihre Konkurrent*innen. Die massiven Krisen der 90er, 2008 und während/nach der Coronazeit zeigen jedoch immer wieder die inneren Widersprüche des Systems, welche auch noch so eine brutale Neoliberalisierung, noch so intensivierte Ausbeutung des globalen Proletariats und speziell der Arbeiter*innen und armen Bauern* und Bäuerinnen* des globalen überwinden kann. Doch die herrschende Klasse findet keine neuen Lösungen für dieses Problem.
TRUMPS WAHL 2016
All das, um aufzuzeigen, dass wir uns bereits in einer Zeit befinden, die voller Sparmassnahmen, steigender Armut und sozialer Ungleichheit besteht. Nun wollen wir noch kurz erläutern, wie Trump damit zusammenhängt. Bei Trumps erster Wahl 2016 konnte er sich als Aussenseiter präsentieren, der durch protektionistische Massnahmen die amerikanische Wirtschaft zu alter Grösse bringen wollte. Er hat sich als Gegner des Neoliberalismus präsentiert und damit als Gegner des Establishments, der die weissen US-Amerikaner beschützt vor der korrupten Regierung, dem Liberalismus und der Zuwanderung. Auch die Demokratische Partei hat seinem Sieg damals stark geholfen, denn man wollte lieber Hillary Clinton als Bernie Sanders ins Rennen schicken. Während Hillary eine Kandidatin war, die denselben Kurs mehr oder weniger unverändert weiterführen wollte, gab es mit Sanders einen sehr linken Reformisten (für die Verhältnisse der USA), der die Unternehmen und Reichen besteuern und Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter*innen heben wollte. Die Demokratische Partei, die natürlich genau wie die Republikaner den Kapitalismus mitverwaltet und stützt, hatte schon dort gezeigt, dass sie mit linker Politik nichts zu tun haben wollen. Obwohl Sanders eine massive Bewegung innerhalb der unteren Schichten der Gesellschaft angestossen hat und mit sehr vielen, kleinen Spenden eine (partielle) Gegenmacht aufbauen konnte gegen Gegner*innen wie Hillary Clinton, die extrem viele Grossspenden erhielt, schien die Demokratische Partei lieber mit Clinton gegen Trump zu verlieren als mit Sanders gegen ihn zu gewinnen! Erinnern wir uns: Während Clinton in den meisten Umfragen vor der Wahl 2016 knapp hinter Trump zurücklag, führte Sanders in den meisten Umfragen mit zwischen 5 bis 10 Punkten vor Trump! Aber das Resultat ist bekannt: Clinton setzte sich innerhalb der Demokratischen Partei durch und verlor gegen Trump. Sanders seinerseits enttäuschte ebenfalls viele Arbeiter*innen, indem er sich hinter Clinton stellte und seine Mobilisierungskraft nicht nutzte, um eine unabhängige Partei der Lohnabhängigen zu erschaffen.
TRUMPS ERSTE AMTSZEIT
Trumps protektionistische ,,America-First’’-Politik hatte in erster Linie vor allem zur Folge, dass es zu einem Handelskrieg mit Sanktionen zwischen den USA und China kam. Damit sollten amerikanische Unternehmen gestärkt werden, wobei solche protektionistischen Massnahmen viel eher ein Ausdruck davon sind, dass das kapitalistische System als Ganzes - also weltweit - nicht mehr harmonisch funktioniert. Trotz einer Rhetorik, die an Arbeiter*innen appellierte, führte Trump eine Politik, die nur dem Kapital diente (ganz im Schema bspw. der SVP, welche wir hier nur allzu gut kennen). Es kam zu Steuersenkungen für Unternehmen und Reiche, während gleichzeitig die gewerkschaftliche Politik geschwächt wurde. Die materiellen Lebensbedingungen haben sich unter Trump nicht verbessert, die Prekarisierung hat zugenommen, obwohl laut Trump & Co. der Neoliberalismus und der „Deep-State“ Schuld daran war. Politisch hat sich die Situation in den USA unter Trump vor allem so entwickelt, dass bestehende Widersprüche vertieft wurden. Während rechtsextreme Teile der Bevölkerung sich durch Trump und seine Reden gestärkt fühlten, haben sich immer grössere Teile der Arbeiter*innenklasse immer mehr nach links bewegt (bspw. Organisierungs- und Streikwellen, Eintritt in Gewerkschaften und Organisationen wie die Democratic Socialists of America). Ohne die Eindämmung durch den systemkonformen Sanders wurde die Rhetorik in linken Kreisen dabei radikaler als noch vor und während dem Wahlkampf 2016. Trumps Amtszeit hatte bonapartistische Züge, also ein Versuch, über den Klassen zu stehen. Trump, der die Nation vereint, der sogleich Arbeiter*innen und Kapitalist*innen zufriedenstellt! Weit gefehlt… Dennoch erinnert Trumps Auftreten und seine Angriffe auf demokratische Institutionen an frühere faschistische Bewegungen – und tatsächlich wurden faschistische Gruppen wie die „Proud Boys“ massiv gestärkt und der Kapitol-Sturm vom 6. Januar 2021 machte das Potenzial rechtsextremer, reaktionärer Mobilisierungen deutlich.
BIDENS SIEG UND AMTSZEIT
Nach einer Amtszeit war für Trump vorerst Schluss. Seine Niederlage gegen Joe Biden 2020 hat natürlich verschiedene Ursachen, zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass Trump als Präsident zu sehr polarisiert hat. Der Angriff aufs Kapitol und Trumps Unterstützung davon hat ihn einige Anhänger gekostet und auch seine Politik während der Corona-Pandemie und Black Lives Matter wurde von vielen kritisiert. Schliesslich gewann Biden aber vor allem, weil er Ruhe ins Land und in die Politik bringen sollte. Seine Amtszeit waren dann vier seltsame Jahre, in denen er mit minimen Zugeständnisse an Student*innen und ans Klima für Ruhe sorgen sollte, während die meisten seiner Versprechen solche blieben. Die Grosskonzerne sowie die Rüstungsindustrie haben ihre Macht unter Biden ungestört weiterführen können. Die Handelskriege mit China wurden auf andere Art geführt, etwa mit verstärkter militärischer Präsenz im Südchinesischen Meer. Auch die innerimperialistischen Konflikte mit Russland haben sich verschärft, er liess Israel ungestört in ihrem Genozid gewähren und bewiess sich als unfähig, neue Schichten der Wähler*innenschaft für seine Strategie des „geringeren Übels“ zu gewinnen.
TRUMPS WAHL 2024
Da Biden keine wirklichen Veränderungen ins Land brachte und dabei auch den Arbeiter*innen keine Lösungen anbot, wurde es für die Demokratische Partei vor allem deshalb schwierig, weil sie mit Kamala Harris eine Person ins Rennen schickte, die praktisch dieselbe Politik wie Biden führen wollte. Die Arbeiter*innenklassen war also wieder einmal vor zwei absolut bürgerliche Parteien und KandidatInnen gestellt, wobei es die Rechten sogar schafften, Harris als linke Kandidatin zu dämonisieren, obwohl ihre Politik extrem kapitalfreundlich war (ein Testament seines extrem reaktionären Charakters, der die Fortschritte sozialer Bewegungen zerschlagen und die Unterdrückung von marginalisierten Gruppen intensivieren wollte). Trump konnte so gewisse Teile des Proletariats für seine Politik gewinnen. Die Ablehnung oder Infragestellung der politischen Institutionen, die sich in den USA mittlerweile in vielen politischen Strömungen zeigt, hatte insofern einen Einfluss, dass sich Trump einmal mehr als Anti-Establishment-Kandidat präsentieren konnte, weil Harris mit ihrer Biden-ähnlichen Politik nunmal als das Establishment selbst kandidierte. Auch jene Schichten des Proletariats, welche zweifelsohne an der rassistischen, sexistischen (etc.) Politik Trumps leiden werden (bspw. Frauen, Latinos), konnte er mit dem Versprechen des wirtschaftlichen Aufschwungs zunehmend für sich mobilisieren. Nicht zu vergessen ist der Genozid in Palästina, der zu enormen Teilen mit US-amerikanischem Steuergeld finanziert wird und in weiten Teilen der Bevölkerung und vor allem der Arbeiter*innenklasse zu Widerstand geführt hat. Hinzu kommt die finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine, die für die USA enorme Kosten bei einem bereits enorm hohen Schuldenstand bedeutet, was ebenfalls nicht von allen gutgeheissen wurde. Trump versprach, sich dort zurückzuziehen, was wiederum einen Einfluss auf seine Wahl hatte. Schliesslich soll noch gesagt werden, dass Trumps Wahl ein Ausdruck davon ist, dass das Kapital seine Macht aktuell nur noch mit autoritären Mitteln aufrechterhalten kann, während es über demokratische Wege immer schwieriger wird. 2024 war praktisch die gleiche Wahl wie schon 2016 und 2020, es ist damit auch wenig überraschend, dass grosse Schichten der Wähler*innen immer weniger das „geringere Übel“ im einen oder anderen Kandidierenden sehen.
WAS UNS UNTER TRUMP 2.0 ERWARTET
Wir wollen drei Aussagen wagen, was uns bei Trumps zweiter Amtszeit erwarten könnte.
Die Polarisierung wird zunehmen
Die Repression wird zunehmen
Das Proletariat wird sich stärker organisieren und kämpfen
Zum ersten Punkt, der wohl weniger gewagt ist: Wie soll Trump mit seiner Politik irgendwie Stabilität herbeiführen in einem Land, das bereits so erschüttert scheint? Er wird kaum Reformen durchführen, die pro-Proletariat sind und die aktuelle ökonomische und soziale Schere wird sich weiterhin öffnen. Die Ungleichheit in den USA ist so extrem wie sie in der Geschichte normalerweise nur in Zeiten von absoluten Krisen, Kriegen oder Revolutionen war. Die Ungleichheit und die materielle Not führen die Arbeiter*innenklasse notgedrungen in verschieden Kämpfe um ihre Lebensbedingungen, ein autoritärer „Strong-Man" wie Trump wird nicht lange mit seiner Antwort auf solche Kämpfe zögern. Da das Proletariat trotz gewisser kürzlicher Anzeichen für Verbesserung immer noch sehr stark fragmentiert ist und die Elite auf verschiedene Arten einen ziemlich erfolgreichen ,,Kulturkampf’’ führt, um vom Klassenkampf abzulenken, dürften grosse Erfolge aber schwer werden. Da kommt aber der zweite Punkt ins Spiel: Unter Trump wird die Repression gegen Arbeiter*innen wohl zu einem neuen Höchstpunkt der jüngeren Geschichte kommen. Trump und seine Politik haben im Vergleich zur ersten Wahl an Akzeptanz gewonnen, auch bei der herrschenden Klasse (auch wenn diese zerstritten ist, wie die Widersprüche der derzeitigen Periode in ihrem Sinne überwunden werden können). Da sie sich aktuell mit einer Arbeiter*innenklasse abfinden müssen, die in den letzten Jahren mit BLM, der Palästina-Bewegung, etlichen Arbeitskämpfen und Gewerkschaftsgründungen gezeigt hat, das sie langsam erwacht, scheinen grosse Teile der oberen Schichten die Repression gutzuheissen. Dennoch, und das ist der dritte Punkt, sind wir optimistisch. Auch wenn die grossen Erfolge vermutlich noch ausbleiben werden, dürfte sich das US-amerikanische Proletariat in den nächsten vier Jahren weiterhin verstärkt organisieren und gewisse Erfolge durch Streiks erzwingen können. Die zu erwartende Repression kann natürlich auch dazu führen, dass sehr grosse Teile der passiven Bevölkerung aus eben dieser Passivität gerissen werden und sich dadurch aktiv politisieren und in die Kämpfe des Proletariats eintreten. Letztlich liegt es an der Arbeiter*innenklasse der USA, eine eigene politische Kraft aufzubauen, welche sich gegen die Republikanische wie auch Demokratische Partei stellt, einen unabhängigen Klassenstandpunkt vertritt und somit diese aufblühenden Kämpfe verbinden und eskalieren kann. Zweifelsohne ziehen die kämpfenden, klassenbewusstesten Arbeiter*innen ihre Schlussfolgerungen und eröffnen die reale Möglichkeit der Bildung einer Avant Garde der Klasse, welche das Proletariat erfolgreich in den Kampf gegen den US-Kapitalismus führen kann, trotz seiner hegemonialen Rolle, trotz dem enormen repressiven Potenzials seines Staates und trotz der tiefen Spaltungen entlang von Race, Geschlecht, Sexualität etc. Ob dies in den nächsten vier Jahren passiert, können wir nicht voraussagen. Doch wir wissen, es ist für das Schicksal der internationalen Revolution unabdingbar.
Comments