
website der
Marxistischen Aktion Schweiz
Schweizer Sektion der Liga für die Fünfte Internationale


Gegen ihre Krisen! Gegen ihre Stabilität! Aktionsprogramm der
Marxistischen Aktion Schweiz
Vorwort
Wer sind wir?
Als Marxistische Aktion verstehen wir uns als kleine kämpfende Propagandagruppe, eine ideologische Strömung im schweizer Klassenkampf. Unsere Grösse und damit die Verankerung unserer Mitglieder und Ideen in den verschiedenen, bestehenden Kämpfen des Proletariats ist gering bis inexistent, daher ist es praktisch unmöglich, uns durch die Praxis unserer Gruppe von den anderen revolutionären, marxistischen, kommunistischen (etc.) Organisationen und Parteien zu unterscheiden. Doch wir glauben, dass eine solche Differenzierung notwendig ist, damit eine Gruppe überhaupt ihre Daseinsberechtigung hat. Damit einher geht nicht nur der Unterschied zu den bestehenden Strömungen des Klassenkampfes, sondern auch die Herausbildung eigener Positionen, einer eigenen Linie und eigener Analyse. Das Fundament der Identität der Gruppe, als Sammlung ihrer Analysen und strategischen Überlegungen, bietet das Aktionsprogramm. Unser Aktionsprogramm definiert unsere Positionen als kleine Propagandagruppe, und hat auch die Ambition, eine Grundlage für den revolutionären Kampf der Massen des schweizer Proletariats und für eine zukünftige revolutionäre Massenpartei zu bieten. Das Aktionsprogramm soll die Praxis unserer Gruppe leiten, denn es skizziert unsere Vorstellungen des Weges zur Mobilisierung der Massen für sozialistische Ideen und letztlich zur Revolution. Wir verstehen es dabei nicht als starr und dogmatisch, sondern als lebendiges Dokument: Aus der Anwendung des Programms, dem Diskurs mit dem breiteren Klassenkampf und der Veränderung der objektiven Umstände werden sich Veränderungen ergeben können und müssen.
Wo agieren wir?
Für die sozialistische Revolution braucht es den kollektiven Kampf der Masse des Proletariats. Massenkämpfe können spontan entstehen, doch sind sie meistens abhängig von der Mobilisierung breit verankerter Massenorganisationen. Die Aufgabe von revolutionären Marxist*innen sehen wir nicht darin, einfach jeden spontanen Kampf (oder jede spontane Bewegung) unkritisch zu unterstützen oder den reformistischen Massenorganisationen ideologisch nachzutraben, um an den organisierten Massenkämpfen teilhaben zu können. Genauso lehnen wir es ab, unseren Aufgabenbereich rein auf eine vom restlichen Kampf des Proletariats isolierte revolutionäre Bewegung zu beschränken. Das zentrale Ziel unserer politischen Arbeit sollte die Umgruppierung der vereinzelten revolutionären Kräfte in eine neue revolutionäre Massenpartei und Internationale sein, um die bestehende, reformistische Führung der diversen (spontanen) Kämpfe und Bewegungen durch eine revolutionäre Ausrichtung zu ersetzen.
Die wohl wichtigsten Massenorganisationen der Schweiz sind heute die Gewerkschaften. Die Gewerkschaftsbürokratie, speziell in den Leitungsgremien, ist zweifellos verstrickt in die Administration des schweizer Kapitalismus und in einer unheiligen Allianz mit der SP. Doch in den Gewerkschaften organisiert sich noch immer ein grosser Teil der Proletariats. Es ist essenziell, als Revolutionär:innen in den Gewerkschaften zu arbeiten, um dessen Basis gegen die klassenverräterische Führung zu organisieren. Die sozialen Bewegungen spielen zwar häufig eine aktivere Rolle, fokussieren sich aber anders als die Gewerkschaften nicht auf einfache soziale Forderungen der Arbeiter:innen. Damit können sie auf der einen Seite radikaler wirken (oder sein), auf der anderen Seite sind sie aber auch anfälliger für bürgerliche Lösungsvorschläge, welche genau das System des Kapitalismus stützen, welches sie den eigenen Worten nach stürzen wollen. Damit die sozialen Bewegungen ihren Teil zum Aufbau einer Alternative zur bestehenden Führung des Proletariats tun können, müssen sie sowohl intern wie extern der Gewerkschaften (und teilweise anderer Massenorganisationen wie SP, JUSO etc.) Druck aufbauen. Soziale Bewegungen dürfen sich nicht darauf beschränken, eine unabhängige Kraft zu werden, welche nur für ein eigenes, limitiertes Programm kämpft. Vielmehr müssen sie zusammen mit der Arbeiter:innenbewegung den Weg für eine revolutionäre Massenbewegung ebnen, indem sie die Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit, gegen Imperialismus, gegen Patriarchat und Rassismus, für Klimaschutz und -gerechtigkeit (etc.) mit den sozialen Forderungen der Arbeiter:innenklasse und der Selbstorganisation dieser Klasse verbinden. Die Gewerkschaften und die fortschrittlichen sozialen Bewegungen (heute v.a. der feministische Streik, der Klimastreik und die Palästina-Bewegung) sehen wir als wichtigste Arbeitsfelder, da sie ein Ausdruck der Organisierung und des Kampfes breiterer Massen des Proletariats sind.
An wen richten wir uns?
Während wir die politische Einheit der Arbeiter:innenklasse anstreben, verstehen wir sie nicht als undifferenzierte Massen, sondern unterscheiden verschiedene Segmente. Bedeutend für unsere Analyse des Klassenkampfes ist speziell die Avantgarde des Proletariats. Der Begriff der Avantgarde oder Vorhut kommt aus dem militärischen, worin sie jene Truppen definieren, welche zuerst in den Kampf schreiten. Unter dem Proletariat ist die Avantgarde jene Schicht der Klasse, welche ebenfalls vor dem Rest der Klasse in den Kampf treten und somit eine führende, exemplarische Rolle für den Rest der Massen darstellt. Zur Zeit von Marx und Engels konnte man die Avantgarde vor allem im europäischen Industrieproletariat verorten, welche durch die Zentralisierung der Produktion in grossen Kollektiven arbeiteten und somit die Vereinigung und Kampfeinheit leichter herstellen konnten. Eine solche klare Zuteilung können wir heute nicht mehr machen. Durch den Klassenverrat der Gewerkschaften und der Arbeiter:innenparteien, durch die hohe Konzentration des imperialistischen Finanz- und Konzernkapitals und einer grossen Schicht der Arbeiter:innenaritsokratie im imperialistischen Zentrum können wir kaum Arbeitskämpfe in der Schweiz benennen, und wo sie auftreten, haben sie wenig Kontinuität, sodass keine Schicht der Arbeiter:innen klar und offensichtlich als Avantgarde erscheint. Trotzdem ist es unser Ziel, v.a. die Avantgarde Elemente unter dem Proletariat für unsere Ideen zu erreichen. Denn es sind auch sie, welche sich überhaupt erst in dieser Phase der Kriege und Krisen mit dem Sachverhalt des revolutionären Programmes auseinandersetzen wollen. Als Organisation verstehen wir uns nicht die schweizer Avantgarde, sondern als eine Kaderschmiede, welche ihre Mitglieder im und für den Prozess zu einer revolutionären Umgruppierung schulen und ausbilden soll.
Was für eine Partei brauchen wir?
Während wir in verschiedenen Kämpfen von Avantgarde Elementen sprechen können, kann sich das Potenzial dieser Schicht der Klasse erst offenbaren, wenn sie sich zumindest in einem bedeutenden Teil in einer Partei organisiert hat. Nicht zuletzt am Fehlen einer solchen Partei können wir die faktische Disintegration der Avantgarde des Proletariats herleiten - im Umkehrschluss ist dies die Begründung für die Losung der Umgruppierung. Wir verstehen uns nicht als diese Partei, noch können wir als kleine Propagandagruppe als Avantgarde der Klasse agieren. Doch wir erkennen an jeder Wendung des Klassenkampfes in der Schweiz und international die Notwendigkeit einer solchen Avantgarde-Partei - und einer Internationalen, welche diese Parteien vereint und die internationale Revolution ermöglicht. Unser Programm soll uns also nicht nur selber und gegenüber den anderen Gruppen ideologisch definieren, sondern hat gleichzeitig den Anspruch, die Basis eines Programmes einer umgruppierten revolutionären Partei zu sein, welche auch wirklich in der Avantgarde der Klasse verankert ist. Diese Umgruppierung muss notwendigerweise die fragmentierten Elemente der Avantgarde (in den verschiedenen Branchen und Betrieben, aber auch Gewerkschaften, Parteien und Organisationen) verbinden. Doch wir glauben, dass unsere theoretische Ausrichtung des revolutionären Marxismus, Bolschewismus und Trotzkismus das Programm und den Aufbau dieser Partei informieren kann und muss. Wir betrachten das Erbe des Trotzkismus als lebendiges, welches sich nicht in Dogmen verfangen darf. Seit dem Scheitern der Vierten Internationale nach dem zweiten Weltkrieg konnte es keine Kraft auch nur annähernd schaffen, die Kohärenz der revolutionären Elemente weltweit herzustellen - viele, und nicht nur Trotzkist:innen, haben es versucht. International verfolgen wir also das Ziel der Umgruppierung in eine neue, Fünfte Internationale, weshalb wir eine Sektion der LFI sind, welche in verschiedenen Ländern und in Diskussion mit verschiedenen Gruppen dieses Ziel verfolgt.
Aktionsprogramm
Der Kapitalismus schlittert weltweit immer tiefer in die Krise(n). Die herrschende Klasse intensiviert global die Ausbeutung der Arbeiter:innen, der armen Landwirt:innen sowie der Natur und der Tiere und verschärft die soziale Unterdrückung gegen Frauen, TINAs, queere, rassifizierte, migrantische und behinderte Personen. Imperialistische Kriege und Massaker greifen um sich, die extreme Rechte erstarkt und demokratische Rechte werden entzogen. Die politische Krise macht auch vor den Linken keinen Halt. Reformistische Parteien (ob sozialdemokratische, grüne oder auch stalinistische etc.) bemühen sich in all ihren Gestalten um die Integration in den kapitalistischen Staat. Revolutionäre Marxist:innen bestehen aus diversen Kleingruppen und sind noch weit davon entfernt, die Hegemonie der reformistischen Führung in der Arbeiter:innenbewegung brechen zu können und eine revolutionäre Alternative greifbar werden zu lassen.
Trotz erster oberflächlicher und auch tieferliegender Risse behauptet sich zurzeit aber die Schweizer Stabilität. Im Vergleich zu ihren Nachbarstaaten weist die Schweiz ein höheres Wirtschaftswachstum und tiefere Inflationsraten auf. Politisch halten sich die etablierten Bundesratsparteien, und Arbeitskämpfe werden nach wie vor selten ausserhalb der GAV-Verhandlungen geführt. Der Zerfall der Credit Suisse, Sackgassen in Verhandlungen mit der EU oder die de facto Auflösung der Neutralität in Bezug auf den israelischen Genozid und den Ukraine-Krieg und die zunehmende Unterordnung unter NATO-Interessen geben zwar zu erkennen, dass die Schweiz ihre Sonderstellung im imperialistischen Gesamtsystem nach und nach verliert – für die Dynamik des Schweizer Klassenkampfes hatten diese Entwicklungen aber bisher noch keine grundlegende Veränderung zur Folge.
Die Lage der Klasse
Doch die Sonderstellung und Stabilität der Schweiz negiert nicht den Grundwiderspruch des Kapitalismus. Die Schweizer Arbeiter:innenklasse ist konfrontiert mit einem beständigen Anstieg der Lebenshaltungskosten – gerade Krankenkassenprämien und Mieten fressen immer grössere Teile des Lohnes auf. Die Reallöhne sinken infolge der Stagnation der Löhne, während zugleich insbesondere die Altersvorsorge zunehmend das Terrain des Klassenkampfes von oben wird, geführt von der Regierung. Dies alles verkörpert die inhärente Tendenz des Kapitals, zur Profitmaximierung auf jedem möglichen Weg die Lebensqualität der Lohnabhängigen anzugreifen. Eine Tendenz, die heute umso stärker zutage tritt, im Angesicht der kapitalistischen Krise und sinkender Profitraten. Auch soziale Unterdrückung müssen wir in diesem Kontext verstehen. Angriffe auf die Rechte und gesellschaftliche Stellung speziell von FINTA*s und People of Colour (PoC) bedeuten u.a. die Verlagerung von Reproduktionsarbeit in die unbezahlte Hausarbeit, unterbezahlte Arbeit in der Pflege und eine Verschlechterung des Service Public bei jenen, die am meisten davon betroffen sind (wie Asylsuchende und alleinerziehende Mütter). Der Klassenkampf ist auch in der Schweiz nach wie vor Realität, auch wenn er zurzeit in erster Linie von der Kapitalist:innenklasse gegen eine mehrheitlich passive Arbeiter:innenklasse geführt wird. So waren die letzten Jahrzehnte von einer Fülle an kleinen, schrittweisen Verschlechterungen für die arbeitenden Menschen charakterisiert.
Um die Lebensbedingungen der Arbeiter:innenklasse zu verteidigen und die sozialen Angriffe abzuwehren, stellen wir folgende Forderungen auf:
-Für eine sichere und gerechte Altersvorsorge: Gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters; Für eine staatlich finanzierte Einheitskrankenkasse!
-Gegen die Pflegekrise: Umsetzung der Pflegeinitiative im Sinne der Pflegearbeiter:innen. Förderung von Ausbildung und Lehre von Fachkräften, bessere Arbeitsbedingungen und Entlohnung. Für unbefristete Verträge und Möglichkeit auf Weiterbildung für ungelernte Hilfskräfte; Kostenlose und flächendeckende, psychische und physische Betreuungs- sowie Inklusionsangebote für Kinder, Pensionierte und Menschen mit einer Behinderung.
-Gegen die Wohnungskrise: Einführung eines Mietendeckels und drastische Senkung der Mieten auf ein für alle bezahlbares Niveau; Verbot von Zwangsräumungen und massive Investitionen in den Bau von sozialem Wohnraum. Enteignung von Immobilienkonzernen und Grossgrundbesitzern und Überführung der Wohnungen in Gemeineigentum, verwaltet durch demokratische Mieter:innen-Räte – die Häuser denen, die drin leben!
-Für einen nationalen Mindestlohn von 25CHF pro Stunde, 4000CHF pro Monat, inklusive für Lernende!
-Für eine Arbeitszeitverkürzung: 28 Stundenwoche ohne Lohneinbussen!
-Um steigender Ausbeutung durch Produktivitätserhöhungen und Intensivierung der Arbeit entgegenzuwirken: steigender Lohn oder sinkende Arbeitszeit mit steigender Produktivität der Arbeit!
-Die Kapitalist:innen sollen zahlen: Für die massive Erhöhung von Vermögenssteuer und Kapitalertragssteuer! Für eine bundesweite Erbschaftssteuer und eine Finanztransaktionssteuer!
Die Übergangsmethode: Selbstorganisation, Demokratische Arbeiter*innenkontrolle und Gegenmacht
Der Kampf der Arbeiter:innenklasse in seinen verschiedenen Formen ist momentan charakterisiert durch die Defensive, in welche sie die reformistische Führung gedrängt hat und halten will. Wenn die Spitzen der Massenorganisationen nicht willig sind, den Kapitalismus anzugreifen und das Proletariat auf dessen Überwindung vorzubereiten, dann heisst das gleichzeitig auch, dass unsere Klasse dazu verdammt ist, ihre Lebensbedingungen und ihre Rechte permanent zu verteidigen. Sofern sich aber die Krisen des Kapitalismus zuspitzen, wird diese Verteidigung immer schwieriger und die notwendigen Methoden dafür militanter. Deshalb sagen wir: die Verteidigung der Arbeiter:innenklasse kann nur erfolgreich sein, wenn sie neben den Minimalanforderungen wie höherer Lohn und Rente, rechtlicher Gleichstellung der Geschlechter etc. sich gleichzeitig auf die Offensive im Sinne der proletarischen Machtergreifung vorbereitet.
Konkret heisst dies, dass der Kampf um die Stellung der Arbeiter:innenklasse im Kapitalismus verbunden werden muss mit dem Kampf für den Sozialismus, für die Arbeiter:innenmacht. Dies bedingt eine revolutionäre Umwälzung, worin die Apparate der Repression der Kapitalist:innen zerschlagen und abgelöst werden durch die Organe der Arbeiter:innenklasse. Die kollektive, demokratische Verwaltung der Wirtschaft und der Gesellschaft durch die Arbeiter:innen, das ist die Machtverschiebung, die die sozialistische Revolution anstrebt. Anstatt dass die Entscheidungen in den Händen einer immer kleineren Handvoll Kapitalist:innen liegt, wie und was Arbeiter*innen durch ihre Arbeit kollektiv produzieren, soll diese Produktion, und damit auch der Privatbesitz demokratisch und kollektiv geplant werden. Nicht die Profitmacherei und kapitalistische Konkurrenz sollen unsere Wirtschaft lenken, sondern die Bedürfnisse der Menschen und der Erhalt ihrer natürlichen Lebensgrundlagen.
Ein zentrales Element, welches die Brücke zwischen den heutigen Kämpfen der Arbeiter*innen und dem Ziel des Sozialismus schlägt, ist die kollektive und demokratische Selbstorganisation der Arbeiter*innenklasse. Arbeiter:innen können auf verschiedenen Ebenen durch Vollversammlungen, Komitees oder Räten Entscheidungen treffen. Dabei muss die Unabhängigkeit dieser Arbeiter:innenversammlungen gewährleistet werden - sie dürfen sich nicht dem Einfluss oder Druck bürgerlicher und kapitalistischer ergeben. Mit jedem Konflikt zwischen den Interessen und Entscheidungen der kapitalistischen Verwaltung (ob der Chef, die Vermieterin oder der Staat) stellt sich die Machtfrage: wie können Forderungen umgesetzt werden und mit welchen Methoden. Durch Niederlegung der Arbeit können die Arbeiter:innen bspw. im Betrieb ihre kollektive Macht ausüben und diese Machtfrage verschärfen. Solche Aktionsformen benötigen aber die grösstmögliche Einheit der Arbeiter:innen, warum ihre Organisation in Zellen der Gegenmacht (eben genannte Vollversammlungen, Komitees oder Räten) organisiert werden müssen und die Schaffung solcher Institutionen elementar ist für ein revolutionäres Programm. Sodass eine solche Revolution möglich ist, muss das Proletariat sich im Verlaufe seiner Kämpfe Organe der Selbstorganisation aufbauen, welche die Rechte und Privilegien der Kapitalist:innen direkt angreifen und somit die Ideologie über die Notwendigkeit und Naturwüchsigkeit der Klassengesellschaft und des Privatbesitzes brechen, indem sie eine alternative Form der Kontrolle darstellen. Die Organe der Arbeiter:innenkontrolle stellen Formen der entwickelten Doppelmacht dar, die die Kontrolle des einzelnen Kapitals oder einer ganzen Gruppe von Unternehmen (z. B. in der Form von Fabrikkomitees oder Kontrollausschüssen) oder des Staates herausausfordern und daher auf Dauer unvereinbar mit der bürgerlichen Herrschaft sind. Die höchste Form dieser Selbstverwaltung sind Räte, welche in Betrieben und Quartieren direkt alle Mitglieder der Arbeiter:innenklasse organisieren, unabhängig von den Institutionen des bürgerlichen Staates und unter Ausschluss von Elementen anderer Klassen. Solche Räte entstehen nur in äußerst zugespitzen Phasen des Klassenkampfes, in vorrevolutionären oder revolutionären Situationen.
In jeder Forderungen, welche dem allgemeinen Klassenkampf entspringt - Mindestlöhne oder Lohnerhöhungen, Begrenzung der Krankenkassenprämien, Einführung von Schutzrechten für Mitglieder sozial unterdrückter Schichten etc. - müssen wir die Frage stellen, welche Institutionen und damit welche Klasse die Verantwortung und damit die Kontrolle über diese Entscheidungen bekommen soll. Der Klassenkampf des Proletariats schafft es aus der Defensive heraus nicht dann, wenn mehr Minimalanforderungen erkämpft werden können, sondern wenn er es schafft, solche Organe der Arbeiter:innen zu etablieren und die Macht des Kapitals herauszufordern. Ab diesem Zeitpunkt können wir vom Beginn des eigentlich revolutionären Kampfes sprechen, an dem die Machtergreifung des Proletariats auf der Tagesordnung und in greifbarer Nähe ist. Damit sich diese Kämpfe aber von der Selbstverwaltung zur Arbeiter:innenmacht entwickeln, müssen die Räte ihre Forderungen eskalieren und so breit wie möglich zusammenschliessen und eine offene Gegenmacht darstellen. Dies ist nur möglich, wenn sie Arbeiter:innenmilizen entwickeln, welche die Selbstverwaltung und Arbeiter:innenmacht gegen das Gewaltmonopol verteidigen können.
Im hier dargelegten besteht der wesentliche Kern der “Übergangsmethode” oder “Übergangsprogrammatik”, zu welcher wir uns bekennen. Eine revolutionäre Bewegung geht nicht automatisch aus den Tageskämpfen des Proletariats hervor, und sie kann aber auch nicht durch Wiederholung von Maximalforderungen (z.B. “für die sozialistische Revolution”) herbeibeschworen werden. Die Aufgabe unserer Gruppe sehen wir in der Erarbeitung eines Programms und einer Strategie – und damit auch von konkreten Forderungen und Taktiken – welche die Kämpfe weiter bringen und auf diese Organisationsformen des Proletariats drängen. Im Übergangsprogramm, dem Gründungsdokument der Vierten Internationale, hat Trotzki dies 1938 folgend beschrieben:
“Die IV. Internationale verwirft nicht die Forderungen des alten „Minimal“-Programms, soweit sie noch einige Lebenskraft bewahrt haben. (...) In dem Maße wie die alten partiellen „Minimal“-Forderungen der Massen auf die zerstörerischen und erniedrigenden Tendenzen des verfallenden Kapitalismus stoßen (...) stellt die IV. Internationale eine System von Übergangsforderungen auf, dessen Sinn es ist, sich immer offener und entschlossener gegen die Grundlagen der bürgerlichen Herrschaft selbst zu richten”
Die Überwindung aller sozialer Unterdrückung kann nur die Arbeiter:innenmacht und der Sozialismus vollbringen. Doch dies soll uns keine leere Floskel sein. Im Kampf um die Arbeiter:innenmacht ist ebenfalls die Ermächtigung sozial Unterdrückter Schichten des Proletariats elementar. Frauen, nichtbinäre Personen und die LGBTQIA+-Gemeinschaft, rassissistisch diskriminierte und Menschen mit einer Behinderung müssen eine aktive Rolle in der Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse einnehmen. Wir lehnen dabei die separate Selbstverwaltung ab (denn in der Konsequenz würde dies die Arbeiter:innenräte zu Räten weisser cis-Männer machen), sondern stehen ein für das Kaukusrecht und das Recht auf separate Treffen, sofern eine Gruppe, welche von sozialer Unterdrückung betroffen ist, dies wünscht. Die sozialen Bewegungen müssen wie die Arbeiter:innenbewegung für die Schaffung solcher Räte und Aktionskomitees kämpfen, um die Massen möglichst breit und möglichst koordiniert in den Kampf einzubinden.
Der Schweizer Staat: Direkte Demokratie, Föderalismus und Repression
Die Schweiz weist in Form der “direkten Demokratie” im Vergleich mit anderen bürgerlichen Staaten mitunter die breitesten demokratischen Rechte für ihre Bürger:innen auf. Trotzdem bleibt auch der Schweizer Staat eine “demokratische Diktatur des Kapitals”. Trotz regelmässiger Abstimmungen bleibt ein Grossteil der politischen Entscheidungen in den Händen von “Volksvertreter:innen”, welche bis auf wenige Ausnahmen nach der Wahl keine Rechenschaftspflicht für ihre Entscheidungen ablegen müssen und nicht abwählbar sind. Derweil wird einem grossen Teil der Bevölkerung aufgrund von Alter, Herkunft oder Behinderung die Teilnahme am demokratischen Prozess verwehrt. Das Ergreifen von Initiativen und Referendem bleibt ein Privileg für die grossen Parteien und reichen Sponsor:innen, während sich die einflussreichen Medien im Besitz von Millionär:innen befinden.
Der Charakter des Staates als Instrument zur Durchsetzung kapitalistischer Klasseninteressen tritt insbesondere dann zutage, wenn die Stabilität des Systems bedroht ist. So kommt es in der Krise zu Angriffen auf demokratische Rechte und zur Kriminalisierung von Protest, wie es zuletzt mit der Palästina-Bewegung geschehen ist. Gleichwohl birgt die scheinbar “demokratischere” Struktur des Schweizer Systems die Gefahr, dass sich revolutionäre Kräfte in den bestehenden politischen Prozessen verfangen und ihre Ressourcen für die Lancierung von Initiativen aufwenden, was zu einseitiger und systemkonformer Agitation führt, welche die revolutionäre Umwälzung notwendigerweise ausklammert.
Der Föderalismus und die damit einhergehende, oft sinnlose Aufteilung verschiedener Aufgabenbereiche erschwert zusätzlich die Wahrnehmung der politischen Rechte durch die Arbeiter:innenklasse. Die Kantons- und Sprachgrenzen fördern die Zersplitterung und hindern damit die Entwicklung des Klassenbewusstseins. Der Ständerat und das Ständemehr ermöglichen den Wähler:innen in kleineren Kantonen zusätzlich eine vielfach grössere Macht gegenüber den urbanen Kantonen, was den Konservatismus vorantreibt. Die revolutionäre Bewegung muss sich schweizweit etablieren und muss daher gegen reaktionäre Hochburgen im Hinterland ankämpfen. Während wir also gegen die Privilegien in der demokratischen Vertretung kämpfen, muss ein revolutionäres Programm das ländliche Proletariat ansprechen, um es, wie auch das urbane Proletariat, von Nationalismus und Liberalismus zu trennen.
Deshalb fordern wir:
- Für aktives und passives Wahl- sowie Stimmrecht für alle (unabhängig von Nationalität oder Aufenthaltsstatus), sobald eine Arbeit ausgeführt oder das 14. Lebensjahr erreicht wird!
- Die fortschrittlichsten demokratischen Rechte, welche nur in wenigen Kantonen gewährleistet sind, müssen in allen Kantonen und Bundesweit gelten (bspw. das Abwählen der Regierung)!
- Abschaffung des Ständerats und Ständemehrs!
- Umbau der Medienlandschaft: Enteignung und Vergesellschaftung der privaten Medienhäusern, Umstrukturierung und Demokratisierung der staatlichen Medien!
- Für die Verteidigung demokratischer Rechte: Gegen die Kriminalisierung des Protests und Aktivismus! Gegen alle Einschränkungen des Demonstrations- und Versammlungsrechts!
- Arbeiter:innentribunale statt bürgerlichen Gerichtswesens! Vetorecht für Arbeiter:innenkontrollkomitees gegen Gerichtsurteile! Wahl- und jederzeitige Abwahlmöglichkeit der Richter:innen durch diese Organe!
- Gegen jeglichen Ausbau der Polizeiapparate und Geheimdienste sowie gegen jegliche Ausweitung ihrer und ihren Kompetenzen!
- Abschaffung der Dienstpflicht und der Berufsarmee! Das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates muss durch Arbeiter:innenmilizen ersetzt werden, welche von Betriebs- und Nachbarschaftskomitees kontrolliert werden!
Die Arbeiter:innenbewegung: Sozialdemokratie, Gewerkschaften und Arbeiter:innen-Einheitsfront
Die Führung der Arbeiter:innenbewegung liegt heute fest in der Hand der Reformist:innen. SP- und Gewerkschaftsspitzen streben eine Mitverwaltung des Kapitalismus an, ob in der Regierung oder in den Verhandlungen um Gesamtarbeitsverträge. Mit dieser Strategie wurden die Massenorganisationen der Arbeiter:innenklasse zu einigen der mächtigsten Organisationen der Schweiz - eine Stellung, welche die Bourgeoisie nur solange erlauben kann, wie der Verrat an den Interessen der Arbeiter:innenklasse gewährleistet ist. Dieser Verrat richtet sich nicht einfach nur gegen die Arbeiter:innen in der Schweiz (ob mit oder ohne Pass), sondern vor allem auch gegen das Proletariat der (halb-)kolonialen Welt, welches unter dem Joch des Imperialismus für den Schweizer Reichtum “büezt”!
Der Reformismus übt dabei die essentielle Funktion aus, den Kampf der Arbeiter:innenklasse für bessere Lebensbedingungen in gelenkte und institutionalisierte Bahnen zu lenken. Es sind im Wesentlichen die Methoden der Arbeiter:innenaristokratie, welche durch ihre privilegierte Stellung gegenüber dem Rest der Klasse einfacher mit dem Kapitalismus Frieden schliesst. Die Macht der Arbeiter:innenklasse liegt in ihrer Rolle in der Produktion, diese Macht kann nur kollektiv ausgeübt werden. Dies gilt im Prinzip für den militanten Kampf wie für GAV-Verhandlungen. Wenn also die GAVs einige elementare Rechte und Lebensbedingungen der Arbeiter:innen verteidigen, dann nur, da die Gewerkschaften noch immer die potentielle Macht des organisierten Proletariats ausdrücken. Da genau dieselben Gewerkschaften jedoch über Generationen dasselbe Proletariat demobilisiert und ihm die Erfahrung des Kampfes geraubt haben, untergraben sie ihre eigene Macht. Die SP wiederum, da sie für den Regierungsbeitritt notwendigerweise das Konkordanzsystem akzeptieren musste, konnte niemals enorme Fortschritte auf dem politischen Terrain erreichen. Während sie im Bundesrat mit den Bürgerlichen gemeinsame Sachen macht, hat sie über Initiativen dafür gekämpft, was sie “eigentlich will”. Doch da sie, wie auch die bürokratischen Gewerkschaften, für diese Forderungen niemals ernsthaft kämpfen würde, werden ihre Forderungen stets verwässert.
Der verräterischen Regierungsbeteiligung der SP stellen wir die Perspektive einer Arbeiter:innenregierung entgegen. Deren Ziel ist es nicht, dass Arbeiter:innenparteien den Kapitalismus mitverwalten, sondern sie soll die Umsetzung der proletarischen und revolutionären Forderungen und den Aufbau sowie Stärkung der Organe der Arbeiter:innenmacht anstreben. Im Moment der revolutionären Umwälzung ist eine solche Arbeiter:innenregierung, welche die Macht und den Willen besitzt, diese Revolution bis zur Diktatur des Proletariats hin anzuführen, von spezieller Bedeutung. Doch die Machtfrage stellt sich nicht erst zum Zeitpunkt der Revolution, weswegen wir auch in nicht- und vorrevolutionären Phasen die Losung der Arbeiter:innenregierung aufstellen. In solchen Phasen, wenn die revolutionäre Partei noch nicht den notwendigen Rückhalt in den Massen des Proletariats hat, kann auch die Einbindung bürgerlicher Arbeiter:innenparteien in eine solche Arbeiter:innenregierung zweckmässig sein. Dies soll nicht als Vorwand gelten, in Verhandlungen mit der verräterischen Führung der SP Kompromisse einzugehen, sondern die organisierte, kämpfende Mitgliedschaft gegen die Interessen ihrer Führung zu mobilisieren – mit dem Ziel, sie durch das Sichtbarmachen dieses Verrats innerhalb der Arbeiter:innenregierung für das revolutionäre Lager zu gewinnen.
In diesem Kontext erhält der Taktik der Arbeiter:innen-Einheitsfront eine besondere Bedeutung. Weder ist unsere Gruppe die einzig existierende proletarische Organisation der Schweiz – noch wird es die Partei sein, welcher wir zuarbeiten. In jedem Stadium sowohl des Aufbaus der Partei als auch der Vorbereitung auf die Revolution müssen wir den Zugang zu den Massen der kämpfenden Arbeiter:innen finden und erhalten, sowohl um den Status als Avantgarde nicht nur in der Theorie und im Programm zu erheben, sondern in der Realität zu beweisen; als auch, um die Massen für unsere Forderungen zu mobilisieren, auch wenn sie nicht in unseren Reihen organisiert sind. Wir richten uns dabei nicht ausschliesslich auf Organisationen und Parteien, welche einen revolutionären Anspruch haben. Auch in den Gewerkschaften und den reformistischen Parteien muss der Versuch gemacht werden, Aktionseinheiten zu bilden, um die Massen von den reformistischen Führer:innen dieser Organisationen zu trennen. Damit soll diese Führung nicht gestützt und die Forderungen kompromittiert werden, um dieser Führung zu gefallen. Vielmehr muss die Möglichkeit eröffnet werden, jenen Schichten der Mitgliedschaft, welche sich nach links in das revolutionäre Lager bewegen, eine Alternative anzubieten. Wir erachten dies als Basis der Bündnisarbeit unter dem Leitspruch “getrennt marschieren, gemeinsam schlagen”. Der Kampf für die Umsetzung unserer Forderungen kann nicht erst dann beginnen, wenn wir als Partei organisiert sind und diese aus unserer eigenen Schlagkraft heraus erkämpfen können.
Spätestens seit Beginn des Nachkriegbooms ist die Führung der Sozialdemokratie und damit des Reformismus scheinbar unantastbar. Die Partei der Arbeit (PdA) als Nachfolgeorganisation der Kommunistischen Partei hat sich durch die Unterstützung der Sowjetunion ein revolutionäres Antlitz gegeben. Allerdings blieb durch die Stalinisierung der UdSSR und der Komintern weder in Moskau noch der PdA viel übrig von der legendären revolutionären Tradition der Oktoberrevolution und der frühen KPS. Gegenüber dem Reformismus der SP unterscheidet sich die PdA heute vor allem dadurch, dass sie die besseren und umfassenderen Reformen vorschlägt. Neben der PdA gibt es eine Reihe weiterer subjektiv-revolutionärer Kräfte in der Geschichte und Gegenwart der Schweizer Arbeiter:innenbewegung. Keine dieser Gruppen je einen signifikanten Teil der Schweizer Arbeiter:innen unter sich zu organisieren vermocht und als Avantgarde der Klasse agieren können. Sie vermochten zwar gewisse programmatische und strategische Errungenschaften des revolutionären Marxismus zu verteidigen, aber sie versagten auch darin, eine klare, politische und programmatische revolutionäre Alternative zu entwickeln.
In diesem Sinne fordern wir:
- Keine Koalition mit den Bürgerlichen! Arbeiter:innenorganisationen müssen ihre politische Unabhängigkeit bewahren und dürfen nicht den Kapitalismus mitverwalten! Gegen die Konkordanz, welche die Linien zwischen den Parteien verwischt!
- Gegen den klassenverräterischen Arbeitsfrieden! Für militante proletarische Kampfmethoden (Streiks, Betriebsbesetzungen etc.) statt der Verhandlung von immer schlechteren GAVs! Für die Mobilisierung des Proletariats zur Umsetzung seiner Forderungen! Die Gewerkschaften müssen eine aktive Rolle im Kampf für den Sozialismus einnehmen!
- Demokratisierung der Gewerkschaften! Kontrolle und Abwählbarkeit der Gewerkschaftsführung durch die Basis!
- Für den Aufbau von Basiskomitees militanter, sozialistischer und revolutionärer Gewerkschafter:innen und Arbeiter:innen, um einen Pol gegen die klassenverräterrische Gewerkschaftsführung aufzubauen!
Für die Befreiung der Jugend
Jugendliche spielen eine spezielle Rolle in unterschiedlichen sozialen Bewegungen. Speziell die Umweltbewegung, die in der Schweiz stark auch von Schüler:innen getragen wurde, hat diesen Trend bestätigt. Aber auch die feministischen Kampftage und die Solidaritätsbewegung für Palästina bekommt immer mehr junge Menschen als Mitstreiter:innen.
Jugendliche selber sitzen in den meisten Fällen noch nicht an den politischen Hebeln gesellschaftlicher Macht. Sie sind in Ausbildung und oft genug abhängig davon, was Eltern und Lehrer:innen auftragen. Zeitgleich haben sie eine besondere Rolle darin, Bewegungen voranzutreiben und führend gegen Ungerechtigkeiten aktiv zu werden. Auch wenn sie nicht dieselbe ökonomische Kraft hat, wie die Arbeiter:innenklasse als Ganzes, hat die Jugend eine spezielle und auch entrechtete Stellung in der Gesellschaft – zum Großteil wird sie auch im weiteren Verlauf der Arbeitenden Klasse angehören.
Die Schweiz hat zwar eine relativ hohe Jugenderwerbsquote, zugleich hat der Anteil von Jugendlichen an der Werktätigenquote im nationalen Vergleich aber stark abgenommen, und insbesondere junge Menschen in Lehrberufen verdienen teilweise unter der Armutsgefährdungsgrenze. Auch die Zukunftsperspektive Schweizer Jugendlicher wird mit der Zuspitzungen der kapitalistischen Krise von Jahr zu Jahr schlechter – Angst um die Zukunft, speziell bei der Altersvorsorge, ist ein präsentes Thema.
Um einen Weg in eine hoffnungsvollere Zukunft zu zeigen und den revolutionären Elan der Jugend nutzen zu können, fordern wir:
- Selbstorganisation der Jugend in Gewerkschaften und Komitees an den Ausbildungsstätten!
- Gratis Bildungszugang für alle und Bestimmung der Lehrpläne durch Organe der Schüler:innen, Lehrer:innen und Vertreter:innen der Arbeiter:innenbewegung!
- Für sexuelle und körperliche Selbstbestimmung. Kein kirchlicher Einfluss in der Schule!!
- Für Selbstverwaltete Jugendzentren ohne Konsumzwang.
- Mehr duale Ausbildungen, die Kopf- und Handarbeit zusammendenken und eine breite Berufswahl ermöglichen – unter Kontrolle der Schüler:innen und Lehrlinge selbst!
- Gerechte Bezahlung von Lehrlingen! Auch in Ausbildung leisten wir wichtige Arbeit. Bereits ab dem 1. Lehrjahr soll daher der gesetzliche Mindestlohn gezahlt werden, und die Bildungskosten sollen vom Staat übernommen werden!
- Wahlrecht ab dem Zeitpunkt, ab dem man arbeiten darf – wer schuftet muss auch wählen dürfen!
Schweizer Imperialismus
Die Schweiz hat in der Entwicklung ihrer imperialistischen Politik eine ziemlich atypische Entwicklung durchlaufen. Besonders das Finanzkapital bildet hierbei den Hauptfaktor. In der frühen Phase (19. Jahrhundert) eroberte die Schweiz nicht wie andere imperialistische Länder direkt Kolonien, war aber wirtschaftlich umfassend beteiligt an der kolonialen Ausbeutung. Schweizer Unternehmen handelten mit Gütern aus den Kolonien und die Schweizer Banken investierten in koloniale Projekte. Im 20. Jahrhundert verlagerte sich der Schwerpunkt auf den Finanzimperialismus und die Schweiz wurde zu dem Bankenland schlechthin und zu einem wichtigen internationalen Finanzzentrum mit relevanter ökonomischer Macht. Investitionen und Verwaltungen rund um den Globus sind über die Schweiz vernetzt. Während des Zweiten Weltkrieges und danach profitierte die Schweiz von der unsicheren finanziellen Situation anderer Länder. Dies geschah grundsätzlich dadurch, dass die Schweiz alles daran setzte, Kapitalströme zu verschleiern und illegal erworbenes Vermögen zu verstecken. Das Bankgeheimnis wurde zum gesetzlichen Ausdruck dieser Praxis. Obwohl es bereits im 19. Jahrhundert inoffiziell angewendet wurde, wurde es erst 1934 offiziell zu einem Gesetz. Ein Gesetz mit der klaren Absicht, Kapital zu schützen, unabhängig von seinem Erwerb. Dadurch wurden das Finanzkapital der Schweiz und seine Position in der globalen Konkurrenz gestärkt. Au nach dem offiziellen Ende der Kolonialzeit war dominieren die imperialistischen Grossmächte, den “globalen Süden” (also die abhängige, bzw. halbkoloniale Welt) über Kontrolle der Märkte und Produktionsketten. Viele multinationale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz kontrollieren noch immer einen Grossteil des globalen Südens. Hauptsächlich finden sich diese Konzerne in den Bereichen Rohstoffhandel, Pharmazeutika, Chemie oder Lebensmittel.
Ab 2000 verändert sich der Schweizer Imperialismus. Aus dem finanzdominierten Modell entsteht ein vielseitiger Imperialismus. Ab 2008 wurde das Bankgeheimnis massiv infrage gestellt und durch Druck der USA und EU auch eingeschränkt, mit dem Angegebenen Grund der Transparenz und der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Die Schweiz konnte sich aber anpassen und hat sich auf andere Steuerschlupflöcher fokussiert (Vermögensverwaltung, Trusts, Stiftungen etc.). Gleichzeitig war das 21. Jahrhundert bis dahin von einer aggressiven Expansion der Schweizer Konzerne geprägt. In den erwähnten Branchen wurde so ein erheblicher Weltmarktanteil gesichert und die abhängige Welt weiterhin geplündert. Dazu kommt, dass die Schweiz immer mehr zum Rohstoffhandelszentrum wurde, wobei extrem viel Erdöl, Metall und auch landwirtschaftliche Produkte über die Schweiz gehandelt werden. Die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie der WTO sowie die Verlagerung von Tochterunternehmen in steuergünstige Länder sind weitere Mechanismen, die die Ausbeutung der Halbkolonien zementiert und ausgeweitet haben.
Trotz der Ablehnung direkter Bündnisse der imperialistischen Staaten des “Westens” (Westeuropa und Nordamerika) wie der NATO oder der EU gliedert sich die Schweiz in diesen Block des imperialistischen Gesamtsystems ein. Die politische Unabhängigkeit von solchen Konstellationen darf uns kein Beweis für die “Neutralität” des Schweizer Staates auf der Weltebene sein.
Diese Neutralität selbst ist vielmehr der Sonderrolle der Schweiz zuzuschreiben. Zum einen erlaubt sie der Schweizer Bourgeoisie eine gewisse Manövrierfähigkeit zwischen imperialistischen Blöcken. Besonders deutlich trat dies im Zweiten Weltkrieg hervor; während die Widersprüche des imperialistischen Westens diesen zur militärischen Eskalation drangen, konnte die Schweiz relativ frei mit Achsen- sowie Ententemächten Geschäfte machen. Die Abschirmung vor den zerstörerischen Effekten der imperialistischen Kriege wiederum ermöglichte einen zunehmenden Fokus des Schweizer Industrie- und Finanzkapitals auf den Weltmarkt und schützte vor der Durchdringung des Schweizer Marktes durch das US-Kapital, welches für den Wiederaufbau anderer europäischer Staaten essentiell war. Nicht zuletzt weist diese vermeintliche politische Neutralität der Schweiz eine Vermittlerinnenrolle zu, in welcher das Angebot derer “guten Dienste” die diplomatische und “friedliche” Lösung diverser Konflikte im Sinne des Imperialismus ermöglicht.
Die erbittertste Verteidigerin dieses sonderbaren Imperialismus ist die SVP. Politische Kampagnen bspw. gegen den UNO- oder EU Beitritt verkörpern das Festhalten eines Teils der imperialistischen Bourgeoisie gegen die Unterordnung unter andere imperialistische Großmächte (während gerade die Bourgeoisie in den exportorientierten Wirtschaftszweigen in die EU und USA dieser Unterordnung weniger kritisch gegenübersteht, da sie die Bedingungen der eigenen Kapitalverwertung verbessern würde). Trotz dem punktuellen Erfolg solcher Kampagnen sind es die Bewegungsgesetze des Weltmarktes und des Imperialismus als Gesamtsystems, welche heute eine solche Unterordnung fördern. Der Verlust des Bankengeheimnisses, das Nichtzustandekommen eines Rahmenabkommens mit der EU und die Übernahme von EU-Sanktionen gegen Russland zeugen von einem zunehmenden Zerwürfnis innerhalb der Schweizer Bourgeoisie, sowie deren abnehmender Verhandlungsmacht v.a. gegenüber den USA und der EU. Den zunehmenden Widersprüchen zwischen den USA und den westeuropäischen Großmächten, wie sie besonders unter der neuen Trump-Administration zum Vorschein treten, werden auch die Schweiz vor eine Wahl des langfristigen, strategischen Bündnispartners stellen. Entweder man stellt sich auf die eine oder andere Seite, oder aber man versucht, aus dem Konflikt seinen Profit zu ziehen. In jedem Fall geht die imperialistische Blockbildung voran und die Schweiz kann sich dieser Dynamik nur schwer entziehen.
Dabei ermöglicht der Schweizer Imperialismus gleichzeitig auch der Schweizer Arbeiter:innenklasse eine privilegierte Rolle, speziell der überdimensionierten Arbeiter:innenaristokratie. Dies folgt einerseits aus der internationalen Arbeitsteilung und Wertschöpfungskette, wobei viele spezialisierte Stellen (sowohl bspw. in der Forschung als auch im Management der Grosskonzerne) in der Schweiz angesiedelt sind. Andererseits wird der Arbeiter:innenklasse der imperialistischen Zentren insgesamt ein höherer Lebensstandard erlaubt als in der Peripherie, um den Klassenkampf zu dämpfen und die internationale Solidarisierung zu vermeiden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Klasseninteressen des Schweizer Proletariats negiert sind oder dass diese Privilegien nicht auch innerhalb dessen ungleich verteilt sind - gerade rassifizierte und feminisierte Berufe gehen mit tieferem Lohn und schlechteren Arbeitsbedingungen einher.
Deshalb fordern wir:
- Gegen Zusammenarbeit und Annäherung an die imperialistischen Bündnisse wie NATO und EU! Für die vereinigten sozialistischen Staaten Europas!
- Gegen Waffenlieferungen an imperialistische und reaktionäre Regime; stattdessen Waffenlieferungen an antiimperialistische Befreiungsbewegungen! Für die demokratische Kontrolle über Waffenlieferungen und die Vergesellschaftung der Waffen-Produzenten!
- Für die Enteignung der multinationalen Konzerne. Enteignung der imperialistischen Grosskonzerne unter Kontrolle der internationalen Arbeiter:innen dieser Betriebe! Vergesellschaftung der Banken! Weg mit Nestlé, UBS und co.!
- Für die sofortige Schliessung von Steuerparadiesen und die Entflechtung von Schweizer Banken aus imperialistischen Finanzoperationen. Keine Finanzströme für den globalen Kapitalismus!
- Für ein sofortiges Ende der imperialistischen Sanktionen zur Niederhaltung von Halbkolonien – von Kuba bis Nordkorea.
- Die Kriege dieser Welt sind allesamt Resultat der kapitalistischen Konkurrenz, des Imperialismus - Für die Aufnahme von Flüchtenden, egal ob aus der Ukraine, Palästina oder dem Sudan! Sicherstellung von Fluchtrouten statt Finanzierung von Frontex! Zuflucht für alle Opfer der kapitalistischen Schrecken, ob Kriege, Armut oder autoritäre, rassistische, sexistische, homo- oder transfeindliche Politik. Gegen das rassistische Grenzregime und die humanitäre Katastrophe, die es verursacht! Offene Grenzen für Alle!
- Für Massenaktionen, um Abschiebungen zu verhindern! Für die sofortige Schliessung aller Lager und Abschiebeeinrichtungen, keine weitere Inhaftierung von Geflüchteten! Gleiche Rechte (inkl. Wahlrechte) und gleicher Zugang zu den Sozialsystemen und zu Sozialbauten für Geflüchtete sowie garantierte Erlangung der Schweizer Staatsbürger:innenschaft!
Der Kampf gegen Umwelt- und Klimazerstörung und die Ausbeutung der Tiere
Die masslose Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen durch die kapitalistische Produktionsweise erzeugt heute die wohl drängendsten Krisen für die Menschheit. An vorderster Front steht die Klimakrise, die primär auf die (sehr profitable) Nutzung fossiler Energien zurückgeht. Die Wertschöpfungsketten der imperialistischen Staaten und Konzerne sind auf selbige angewiesen und haben wenig Interesse daran, neue Technologien zu entwickeln oder bestehende Methoden der erneuerbaren Energiegewinnung flächendeckend einzusetzen. Daneben gibt es zahlreiche weitere Folgen der Naturzerstörung, Biodiversitätsverlust, Verschmutzung der Meere und die Extraktion seltener Erden verursachen (unter anderem) eine unmittelbare Bedrohung für die Lebensqualität der Menschheit – insbesondere für Arbeiter:innen und arme Landwirt:innen in der halbkolonialen Welt, der Tiere und der Reproduktion der planetaren Natur. Und das alles, während jedes Jahr über 70 Milliarden Lebewesen mit Bewusstsein in der industriellen Fleischproduktion gequält, gemästet und ermordet werden.
Die heutige Klimabewegung, zurückzuführen auf Klimastreik-Mobilisierungen seit 2019 sowie die Zuwendung bürgerlicher Kreise zu diesem Thema, haben dazu geführt, dass das Bewusstsein für das Ausmass dieser Krise heute relativ breit verankert ist. Doch zum einen beschränkt sich dieses Bewusstsein auf eine Minderheit der tatsächlichen Folgen (Hitzewellen, Dürren) und die Massnahmen dagegen bleiben arbeiter:innenfeindlich, beschränkt und isoliert (und sind allzu oft vorbeugende Massnahmen gegen die Folgen der Klimakrise statt nachhaltiger Lösungen). Während der Slogan des “System Change” tief in der Bewegung verankert ist, äussert sich dies nicht im Programm der Bewegung oder in ihren Methoden. Das Ziel möglichst breiter Bündnisse und damit einhergehender ideologischer Zugeständnisse wie bspw. im Klima-Aktionsplan führen zu einer Unklarheit in den grösseren Zielen. Gleichzeitig beschränken sich die Forderungen konkreter Aktionen und Mobilisierungen auf einen geringsten Nenner, Minimalforderungen, welche gegenüber den notwendigen Anpassungen einen Tropfen auf dem heissen Stein darstellen. Auch wenn dies nicht explizit das Ziel des Klimastreiks ist, führt es allzu oft zur passiven oder aktiven Unterstützung der Umlenkung in die institutionalisierten Bahnen, v.a. Abstimmungskampagnen (bspw. das CO2- und Klimaschutzgesetz oder die Biodiversitätsinitaitive). Die Problematisierung dieser Schwierigkeiten ist der Bewegung nicht fremd. Aber auch dort, wo es Versuche gegeben hat, die Klimabewegung strategisch breiter aufzustellen oder umzulenken, führte dies entweder zu stärkerer Abhängigkeit von der reformistischen Führung linker Massenorganisationen (bspw. ist das Konzept des “Strike for Future” sinnvoll in dem Sinne, dass es die Arbeiter:innenklasse mobilisieren und in den militanten Kampf mit einbeziehen möchte; jedoch sind die Gewerkschaften der Schweiz kaum in der Verfassung zu streiken, ob durch fehlende Grösse und Massenbasis oder fehlendem Willen unter den Spitzen der grossen Gewerkschaften) oder zu direkten Aktionen eines Bruchteils der Aktivist:innen, welche jedoch gegenüber den Institutionen des bürgerlichen Staates keine Chance auf Überlebensfähigkeit haben (ohne die breitere Massenbewegung hinter sich zu mobilisieren, was bspw. in den Waldbesetzungen nicht der Fall war).
Der Kampf für eine intakte Natur und Fragen wie der Klimagerechtigkeit kann nicht im Kapitalismus zu Ende geführt werden. Es sind in letzter Instanz die Konkurrenz unter den Produzenten:innen und damit einhergehend die Irrationalität der auf Profit basierenden Produktion, welche zu verantworten haben, dass die globalen Wertschöpfungsketten in einer solchen Weise ausgebaut wurden und werden, obwohl langfristige Gefahren wie der Klimawandel seit Jahrzehnten bekannt sind. Die bürgerlichen Staaten wiederum schützen die Macht des Kapitals und sehen es als ihre Aufgabe, die fossile Infrastruktur der heimischen Bourgeoisie zu schützen (ob vor ökonomischen Zwängen auf dem Markt oder Manipulation durch Klimaaktivist:innen). Es braucht die kollektive Verwaltung der Arbeiter:innenklasse über eine demokratische Planwirtschaft, welche auf Basis von Bedürfnissen und in Konkordanz mit den natürlichen Grenzen operiert. Dieser Kampf muss auf verschiedenen Ebenen geführt werden; die Mobilität muss reorganisiert, Fabriken müssen umgenutzt und erneuerbare Energiequellen ausgebaut werden (u.v.m.). Die Massenbewegung(en) gegen Naturzerstörung müssen dafür für den Aufbau von Gegenmachtstrukturen und die Verbindung zur Arbeiter:innenbewegung kämpfen, sodass die Umsetzung ihrer Forderungen nicht von den Kapitalist:innen und ihren Staaten abhängt.
Deshalb fordern wir:
- Für eine Umweltgerechte Mobilität! Investition und Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Velo- und Fussgängerwege! Gratis ÖPNV!
- Für lebenswerte und klimagerechte Städte und Dörfer! Für Autofreie Räume, Renovation alter Gasheizungen und schlecht isolierter Gebäude (ohne Erhöhung der Mieten)! Kompaktes Bauen statt Zersiedelung!
- Die Umweltzerstörer:innen zur Kasse bitten! Transition und Umweltschutz finanziert durch Enteignung und Besteuerung von Firmenprofiten und Erbschaften!
- Kein Vertrauen in den Bundesrat in der Umsetzung der Energiewende! Arbeiter:innen und Klimabewegung müssen Komitees zur Erarbeitung einer Transitionsstrategie einsetzen!
- Umbau der Wirtschaft unter Arbeiter:innenkontrolle! Enteignung unter Arbeiter:innenkontrolle aller Händler und Produzenten fossiler Energiequellen! Enteignung unter Arbeiter:innenkontrolle speziell klimaschädlicher Grosskonzerne!
- Für tiergerechte Haltungsbedingungen in allen Betrieben! Insbesondere die Enteignung und Vergesellschaftung der Fleischindustrie. Umgestaltung der Landwirtschaft hin zu demokratisch geplanter, von den Produzent:innen und Konsument:innen kontrollierten Lebensmittelproduktion. Für die Intensivierung der Forschung zu nachhaltigen Anbausystemen und Ernährungsweisen, die Tierleid minimieren! Wo immer nötig, verpflichtende Anwendung ökologisch nachhaltiger Anbaumethoden, wie z.B. des ökologischen Landbaus, unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Ernährungssicherung.
Soziale Bewegungen und der Rechtsrutsch
Der Kampf gegen alle sozialen Unterdrückungen muss nicht nur integraler Bestandteil des Kampfes für den Sozialismus sein, sondern ist auch zu Recht ein gerechter Kampf, den wir mit Inbrunst führen müssen. Diese beiden Schlachtfelder der heutigen sozialen Bewegungen stehen in einer Dialektik: der wirtschaftspolitische Kampf einer unterdrückten Schicht kann durch starke Solidaritätsbindungen auf eine breitere Ebene, die der Klasse, gezogen werden. Ebenso wie eine (vor-)revolutionäre Situation dualer Macht frühen sozialen Fortschritt begünstigt. Doch die sozialen Bewegungen, wie sie heute existieren, leiden genauso wie die Arbeiter:innenbewegung an ihrer reformistischen Führung und ihrer bürgerlichen Methoden. Die Methoden von weitgehend friedlichen Demonstrationen und zivilem Ungehorsam, unterstützt durch Initiativen und Abstimmungskampagnen schaffen es einerseits nicht, erheblichen Druck auf die herrschende Klasse auszuüben und ihre legitimen Forderungen durchzusetzen; andererseits sind diese Forderungen selbst häufig limitiert, um möglichst breite Allianzen um sie zu bilden. Daraus folgt, dass emanzipatorische Anliegen und der Wille nach einem anderen System in den sozialen Bewegungen einen Ausdruck finden (primär sind dies zur Zeit der feministische Streik, Klimastreik und die Palästina Bewegung), sich dies jedoch auf radikale Rhetorik ohne methodischen oder programmatischen Ausdruck beschränkt.
Die sozialen Bewegungen haben das Potenzial, das Proletariat zu politisieren, mobilisieren und organisieren. Der feministische Streik 2019 und Frauenstreik 1991 waren die grössten Mobilisierungen in der schweizer Geschichte. Im Klimastreik haben sich über Kantons- und Sprachgrenzen zuerst Jugendliche, dann breitere Schichten der Gesellschaft spontan in einer Massenbewegung formiert. Auch die antirassistische Bewegung kann die bürgerliche Gesellschaft erschüttern. Jüngst die Black Lives Matter-Bewegung, die 2020 durch den Mord George Floyds durch die Polizei in den USA wieder entfacht wurde, hat eine besondere historische Rolle eingenommen. 26 Millionen Menschen nahmen in den USA alleine teil, also fast 10% der Bevölkerung! Schon die Bürgerrechtsbewegungen in den 1950er-Jahren kämpften gegen den institutionellen Rassismus und die Polizeigewalt. Trotz dessen Errungenschaften bleiben massive Ungerechtigkeiten bestehen, wie z.B. Masseninhaftierungen, soziale Ungleichheit oder alltäglichen Rassismus, oft auch von Seiten der Polizei. BLM, welche sich noch unter Präsident Obama erstmals formierte hat den Kampf gegen Rassismus wieder auf die Tagesordnung gebracht, und das weltweit. Auch in der Schweiz grassiert der mörderische Rassismus. 2021 wurde Roger Nzoy, ein schwarzer Mann, von der Polizei getötet. Und auch in der Schweiz hat sich Widerstand formiert, wenn auch auf einem tieferen Niveau als BLM. Die Polizei wurde nicht zur Rechenschaft gezogen, nur ein Ausdruck eines gesamten Systems der sozialen Unterdrückung gegen People of Colour und alle Migr ant:innen (egal welcher Generation) in der Schweiz.
Diese Bewegung zeigen auf, dass der Kampf gegen Rassismus, Frauenunterdrückun, LGBT+phobie und die Klimakrise Kämpf gegen den Kapitalismus sind, Kämpfe, die gegenüber allen bürgerlichen Parteien und in allen kapitalistischen Ländern geführt werden müssen.
Momentan befinden wir uns in einer Phase des Rechtsrutsches. Das bedeutet eine Erstarkung der populistischen, radikalen und teilweise faschistischen Rechten (Massvoll, Junge Tat etc.), und Angriffe auf Lebensbedingungen und Rechte der Arbeiter:innenklasse, speziell ihrer vulnerabelsten Schichten (FINTA, LGBTQ-Gemeinschaft, rassifizierte Personen etc.). Auch demokratische Rechte zum Protest werden stärker angegriffen. Die SVP stellt sich hier wieder als Speerspitze der herrschenden Klasse heraus, doch die Repression gegen die Palästina Bewegung werden bis in die Sozialdemokratie hinein unterstützt. Auch drückt sich dies in einer Abschwächung der sozialen Bewegungen aus. Die letzten Jahre waren geprägt von einer enormen Demobilisierung gerade der Klima-, feministischen und antirassistischen Bewegungen. Das ist nicht alleine auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, sondern liegt auch an einer strukturellen Schwäche dieser Bewegungen. Während ein “grünes” und “feministisches” Bewusstsein durchaus breiter in der Gesellschaft verankert wurde, können keine wesentlichen Erfolge auf dies zurückgeführt werden - es bleibt vor allem ein bürgerliches Bewusstsein. Es können wieder vereinzelt linke Initiativen gewonnen (Pflegeinitiative, 13. AHV, kantonale und regionale Mindestlöhne etc.) und Konterreformen abgewehrt (BVG21) werden. Doch durch die Schwäche der Bewegungen, sowohl in der Mobilisierung wie den Forderungen, besteht kaum die Möglichkeit, dass das Proletariat die Regierung bei der Umsetzung dieser Vorlagen kontrolliert. Letztlich liegt es in den Händen eines selbst rechtsdriftenden Bundesrats, emanzipatorische Forderungen umzusetzen - ein Rezept für Desaster! Das zeigt uns heute konkret die Umsetzung der Pflege- und 13. AHV-Initiativen, welche weitgehend im Sinne der Kapitalist:innen implementiert werden.
Deshalb fordern wir:
- Kampf gegen Rassismus: Beendigung der polizeilichen Schikanen gegen People of Colour und ethnische Minderheiten; Beendigung von Kontrollen und Durchsuchungen. Gegen Ausgangssperren und für Personenfreizügigkeit für alle Menschen im Asylsystems; Gegen Diskriminierung von Menschen im Asylsystem und bei der Sozialhilfe. Temporäre ausländische Arbeitskräfte müssen in die Gewerkschaften integriert werden, um für gleiche Rechte aller Arbeiter:innen in der Schweiz zu kämpfen. Volle Staatsbürger:innenschaft für alle, die hier leben und die hier arbeiten.
- Für die Befreiung der Frauen: Volle Lohngleichheit. Für das Recht auf medizinische Versorgung; Abtreibungen gratis und frei verfügbar; Gratis Verhütungsmittel und Produkte für die weibliche Hygiene; Massive Investition in Frauenhäusern.
- Verteilung der Hausarbeit auf alle Hände und Organisation in Komittees – Vergesellschaften von Arbeiten des alltäglichen Lebens, die meistens von Frauen ausgeführt werden.
- Für die Befreiung von Personen, die aufgrund von Geschlecht und Sexualität diskriminiert werden: Für einen frei wählbaren Geschlechtseintrag; Gratis und frei verfügbare geschlechtsbejahende Massnahmen; Inklusiver Sexualkundeunterricht; Programme zur Erhebung und Prävention von LGBT+-phoben Hassverbrechen.
- Gegen die Umlenkung emanzipativer Forderungen in den bürgerlichen Staat durch Initiativen! Umsetzung der Forderungen durch Komitees der sozialen Bewegungen kontrollieren lassen und in die eigenen Hände nehmen!
- Für militanten Antifaschismus! Im Kampf gegen die extreme Rechte können wir uns nicht auf den bürgerlichen Staat verlassen, sondern müssen Selbstverteidigungskomitees der Arbeiter:innenklasse aufbauen!
Für eine neue revolutionäre Massenpartei in der Schweiz! Für die Fünfte Internationale!
Wie schon dargelegt wurde, leiden die sozialen Bewegungen und die Arbeiter:innenbewegungen unter ihrer Führung und dem Reformismus. Die revolutionären Kräfte sind fragmentiert und können dort, wo die Massen mobilisiert und organisiert werden, nur einen marginalen Einfluss erreichen. Damit sich in der Schweiz eine revolutionäre Massenkraft etablieren kann, braucht es die Umgruppierung der revolutionären Linken um ein gemeinsames Programm, welches sowohl die Forderungen der diversen Bewegungen und Mobilisierungen des Proletariats aufgreifen und weiterziehen kann, als auch eine organische Verbindung mit der Arbeiter:innenklasse und ihren Bewegungen hat. Dies ist eine monumentale Aufgabe, welche keineswegs neu ist, sondern seit Anbeginn des Kapitalismus die Aufgabe der revolutionären Kräfte darstellt.
Eine solche Partei muss zunächst bedeutende Teile der fortschrittlichsten Elemente des Proletariats organisieren. Denn die Entwicklung und Verankerung eines revolutionären Programmes kann und darf keine scholastische oder dogmatische Übung sein, noch ist es eine präzise Wissenschaft. Das Programm der Revolution muss die Lehren aus bestehenden und vergangenen Klassenkämpfen ziehen und bei jeder Entwicklung und jeder Wende die Losungen herausarbeiten, welche die Arbeiter:innenmacht vorbereiten und erkämpfen können. Die Avantgarde der Klasse, diese fortschrittlichsten Elemente des Proletariats, können sich sowohl durch ihre theoretischen Eigenschaften erweisen, durch den Weitblick und die analytische Fähigkeiten, in ihrer Verankerung in den bestehenden Kämpfen, wo sie sich als die entschlossensten und hartnäckigsten Kämpfer:innen des Proletariats beweisen, oder in ihren propagandistischen und agitatorischen Fähigkeiten, ihrem Umfeld die revolutionäre Politik zu vermitteln, sie zu überzeugen und zu mobilisieren. Alle diese Eigenschaften und noch mehr sind notwendig, damit sich eine Partei als revolutionäre Führung beweisen kann und ihr Programm die genuinen Interessen der Arbeiter:innenklasse repräsentiert. Zu glauben, diese Kräfte entspringen alle sämtlich aus den engen Kreisen der bestehenden Organisationen und Parteien der revolutionären Linken wäre ein Ausdruck des Sektierertums und des Pessimismus gegenüber dem Rest der Klasse. Trotzdem muss eine solche Partei eine Kaderpartei sein, in welcher alle Mitglieder in verschiedenen Feldern der Parteiarbeit eingebunden sind, sich durch ihre Arbeit in- und ausserhalb der Partei weiterentwickeln. Als Marxistische Aktion wollen wir einer solchen Partei zuarbeiten und dieses Aktionsprogramm umfasst unsere Schlussfolgerungen über Aufgaben und Inhalt eines revolutionären Programms. Wir sind bereit, mit allen Kräften zu diskutieren und zusammenzuarbeiten, welche gleichfalls am Aufbau einer revolutionären Partei des Proletariats in der Schweiz mitwirken wollen.
Auch kann diese Aufgabe nicht in den engen Grenzen des bürgerlichen Nationalstaats gehalten werden. Der Kapitalismus ist ein internationales System und muss daher auch von der internationalen Arbeiter:innenklasse gestürzt werden. Der Zusammenschluss von und die Umgruppierung in revolutionäre Parteien auf der gesamten Welt in eine neue, fünfte Internationale ist essentiell für das Schicksal der schweizer Revolution. Eine solche Internationale muss insbesondere an die Erfahrungen der vier vorhergehenden Internationalen anschliessen.
Soziale Bewegungen und der Rechtsrutsch
Der Kampf gegen alle sozialen Unterdrückungen muss nicht nur integraler Bestandteil des Kampfes für den Sozialismus sein, sondern ist auch zu Recht ein gerechter Kampf, den wir mit Inbrunst führen müssen. Diese beiden Schlachtfelder der heutigen sozialen Bewegungen stehen in einer Dialektik: der wirtschaftspolitische Kampf einer unterdrückten Schicht kann durch starke Solidaritätsbindungen auf eine breitere Ebene, die der Klasse, gezogen werden. Ebenso wie eine (vor-)revolutionäre Situation dualer Macht frühen sozialen Fortschritt begünstigt. Doch die sozialen Bewegungen, wie sie heute existieren, leiden genauso wie die Arbeiter:innenbewegung an ihrer reformistischen Führung und ihrer bürgerlichen Methoden. Die Methoden von weitgehend friedlichen Demonstrationen und zivilem Ungehorsam, unterstützt durch Initiativen und Abstimmungskampagnen schaffen es einerseits nicht, erheblichen Druck auf die herrschende Klasse auszuüben und ihre legitimen Forderungen durchzusetzen; andererseits sind diese Forderungen selbst häufig limitiert, um möglichst breite Allianzen um sie zu bilden. Daraus folgt, dass emanzipatorische Anliegen und der Wille nach einem anderen System in den sozialen Bewegungen einen Ausdruck finden (primär sind dies zur Zeit der feministische Streik, Klimastreik und die Palästina Bewegung), sich dies jedoch auf radikale Rhetorik ohne methodischen oder programmatischen Ausdruck beschränkt.
Die sozialen Bewegungen haben das Potenzial, das Proletariat zu politisieren, mobilisieren und organisieren. Der feministische Streik 2019 und Frauenstreik 1991 waren die grössten Mobilisierungen in der schweizer Geschichte. Im Klimastreik haben sich über Kantons- und Sprachgrenzen zuerst Jugendliche, dann breitere Schichten der Gesellschaft spontan in einer Massenbewegung formiert. Auch die antirassistische Bewegung kann die bürgerliche Gesellschaft erschüttern. Jüngst die Black Lives Matter-Bewegung, die 2020 durch den Mord George Floyds durch die Polizei in den USA wieder entfacht wurde, hat eine besondere historische Rolle eingenommen. 26 Millionen Menschen nahmen in den USA alleine teil, also fast 10% der Bevölkerung! Schon die Bürgerrechtsbewegungen in den 1950er-Jahren kämpften gegen den institutionellen Rassismus und die Polizeigewalt. Trotz dessen Errungenschaften bleiben massive Ungerechtigkeiten bestehen, wie z.B. Masseninhaftierungen, soziale Ungleichheit oder alltäglichen Rassismus, oft auch von Seiten der Polizei. BLM, welche sich noch unter Präsident Obama erstmals formierte hat den Kampf gegen Rassismus wieder auf die Tagesordnung gebracht, und das weltweit. Auch in der Schweiz grassiert der mörderische Rassismus. 2021 wurde Roger Nzoy, ein schwarzer Mann, von der Polizei getötet. Und auch in der Schweiz hat sich Widerstand formiert, wenn auch auf einem tieferen Niveau als BLM. Die Polizei wurde nicht zur Rechenschaft gezogen, nur ein Ausdruck eines gesamten Systems der sozialen Unterdrückung gegen People of Colour und alle Migr ant:innen (egal welcher Generation) in der Schweiz.
Diese Bewegung zeigen auf, dass der Kampf gegen Rassismus, Frauenunterdrückun, LGBT+phobie und die Klimakrise Kämpf gegen den Kapitalismus sind, Kämpfe, die gegenüber allen bürgerlichen Parteien und in allen kapitalistischen Ländern geführt werden müssen.
Momentan befinden wir uns in einer Phase des Rechtsrutsches. Das bedeutet eine Erstarkung der populistischen, radikalen und teilweise faschistischen Rechten (Massvoll, Junge Tat etc.), und Angriffe auf Lebensbedingungen und Rechte der Arbeiter:innenklasse, speziell ihrer vulnerabelsten Schichten (FINTA, LGBTQ-Gemeinschaft, rassifizierte Personen etc.). Auch demokratische Rechte zum Protest werden stärker angegriffen. Die SVP stellt sich hier wieder als Speerspitze der herrschenden Klasse heraus, doch die Repression gegen die Palästina Bewegung werden bis in die Sozialdemokratie hinein unterstützt. Auch drückt sich dies in einer Abschwächung der sozialen Bewegungen aus. Die letzten Jahre waren geprägt von einer enormen Demobilisierung gerade der Klima-, feministischen und antirassistischen Bewegungen. Das ist nicht alleine auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, sondern liegt auch an einer strukturellen Schwäche dieser Bewegungen. Während ein “grünes” und “feministisches” Bewusstsein durchaus breiter in der Gesellschaft verankert wurde, können keine wesentlichen Erfolge auf dies zurückgeführt werden - es bleibt vor allem ein bürgerliches Bewusstsein. Es können wieder vereinzelt linke Initiativen gewonnen (Pflegeinitiative, 13. AHV, kantonale und regionale Mindestlöhne etc.) und Konterreformen abgewehrt (BVG21) werden. Doch durch die Schwäche der Bewegungen, sowohl in der Mobilisierung wie den Forderungen, besteht kaum die Möglichkeit, dass das Proletariat die Regierung bei der Umsetzung dieser Vorlagen kontrolliert. Letztlich liegt es in den Händen eines selbst rechtsdriftenden Bundesrats, emanzipatorische Forderungen umzusetzen - ein Rezept für Desaster! Das zeigt uns heute konkret die Umsetzung der Pflege- und 13. AHV-Initiativen, welche weitgehend im Sinne der Kapitalist:innen implementiert werden.
Deshalb fordern wir:
- Kampf gegen Rassismus: Beendigung der polizeilichen Schikanen gegen People of Colour und ethnische Minderheiten; Beendigung von Kontrollen und Durchsuchungen. Gegen Ausgangssperren und für Personenfreizügigkeit für alle Menschen im Asylsystems; Gegen Diskriminierung von Menschen im Asylsystem und bei der Sozialhilfe. Temporäre ausländische Arbeitskräfte müssen in die Gewerkschaften integriert werden, um für gleiche Rechte aller Arbeiter:innen in der Schweiz zu kämpfen. Volle Staatsbürger:innenschaft für alle, die hier leben und die hier arbeiten.
- Für die Befreiung der Frauen: Volle Lohngleichheit. Für das Recht auf medizinische Versorgung; Abtreibungen gratis und frei verfügbar; Gratis Verhütungsmittel und Produkte für die weibliche Hygiene; Massive Investition in Frauenhäusern.
- Verteilung der Hausarbeit auf alle Hände und Organisation in Komittees – Vergesellschaften von Arbeiten des alltäglichen Lebens, die meistens von Frauen ausgeführt werden.
- Für die Befreiung von Personen, die aufgrund von Geschlecht und Sexualität diskriminiert werden: Für einen frei wählbaren Geschlechtseintrag; Gratis und frei verfügbare geschlechtsbejahende Massnahmen; Inklusiver Sexualkundeunterricht; Programme zur Erhebung und Prävention von LGBT+-phoben Hassverbrechen.
- Gegen die Umlenkung emanzipativer Forderungen in den bürgerlichen Staat durch Initiativen! Umsetzung der Forderungen durch Komitees der sozialen Bewegungen kontrollieren lassen und in die eigenen Hände nehmen!
- Für militanten Antifaschismus! Im Kampf gegen die extreme Rechte können wir uns nicht auf den bürgerlichen Staat verlassen, sondern müssen Selbstverteidigungskomitees der Arbeiter:innenklasse aufbauen!